Das etwas andere Bordeaux – Auf Frankreichs unendlicher Welle surfen

Die Mascaret in Bordeaux ist mehr als nur eine Welle. Sie ist ein Abenteuer, eine Reise durch das französische Weinland und ein Gemeinschaftserlebnis, das Surfer aus der ganzen Welt zusammenführt. Unsere Reisebloggerin Anja Knorr hat es ausprobiert.

Für Surfer gibt es kaum etwas Besseres als das Gefühl eines langen Ritts auf einer perfekten Welle. Meistens dauert der ganze Spaß auf dem Ozean allerdings nur 20 bis 30 Sekunden, aber in Bordeaux in Frankreich erwarten Surfliebhaber ein ganz besonderes Naturphänomen: die Mascaret auf der Dordogne, oder auch Gezeitenwelle genannt.

Diese von der Natur geschaffene Welle rollt jeden Monat die Dordogne hinauf und bietet Surfern, SUP-Fans und Kajakfahrern ein einzigartiges Abenteuer. Der Ort ist unter Wellenreitern, die nicht aus der Region kommen, noch ein Geheimtipp. Fast blutet mein Herz, diesen magischen Ort hier zu teilen. Aber da der riesige Fluss im Südwesten Frankreich genug Platz für alle hat und die Anfahrt etwas abenteuerlich ist, bin ich mir sicher, dass Sportler diesen Tipp zu schätzen wissen.

Festivalstimmung am Ufer in Saint-Pardon

Ein Abenteuer in Bordeaux, Frankreich

Die Mascaret entsteht durch extreme Schwankungen der Mondgezeiten, die eine Welle aus dem Meer flussaufwärts drücken. Nahe Bordeaux trifft die Dordogne mit der Garonne zusammen und bildet einen Mündungstrichter namens Gironde, der in den Ozean strömt. Dadurch verengt sich das Flussbett bergwärts, was bei Eintreffen einer Flutwelle zu einem Stau-Effekt führt. Strömt durch die Flutwelle der Gezeiten viel Wasser den Fluss zurück, erzeugt das eine sanfte, etwa hüfthohe Welle, die selbst von Anfängern kilometerweit gesurft werden kann.

Rund zwei Stunden Autofahrt vom Meer entfernt führte der Weg zur Mascaret durch das französische Weinland in eine festivalähnliche Atmosphäre, die jeden Monat Surfer, SUPer und Kajakfahrer in die Dordogne bringt. Im Gegensatz zu der typischen Surfcliquen-Kultur beim Surfen im Meer heißen die französischen Mascaret-Rider Neulinge willkommen und plaudern gerne.

Als ich im beschaulichen Staint-Pardon in Vayres eine Stunde vor Ankunft der Mascaret ankam, überraschte mich der Fluss. Er floss so gemächlich und ruhig, wie man es eben von Flüssen erwartet. Unvorstellbar, dass sich an diesem beschaulichen Ort in kurzer Zeit eine Welle auftürmen würde.

Ich versammelte mich mit etwa 40 anderen Surfern auf dem Marktplatz von Saint-Pardon und fühlte mich an ein Sportevent aus Schulzeiten erinnert. Lockere Sprüche, Musik und etwas aufgeregt waren wir alle. Die Surfer machten sich fertig und sahen zwischen den Landratten aus wie Fische an Land.

Rund 30 Minuten vorher schnappten sich alle ihre Bretter und paddelten flussabwärts. An einem bestimmten Punkt hörten alle Surfer auf zu paddeln und warteten. Für mich das Zeichen es ihnen gleich zu tun. Wir saßen am Flussufer und warfen uns zur Auflockerung Schlammbälle zu, bis die Mascaret mit einem Zischen begann, das sich zu einem leisen Tosen steigerte.

Matschiger Einstieg in die Dordogne

Ritt auf den Gezeitenwellen

Normalerweise gibt es etwa fünf eng beieinander liegende Wellen, aber die erste und die zweite Welle sind diejenigen, auf die es ankommt. Während der ersten 30 Sekunden herrschte Chaos, als Surfer Schulter an Schulter um ihre Position kämpften. Ja nicht die Welle verpassen und den Walk of Shame machen müssen – zurückpaddeln anstatt lässig den klatschenden Zuschauern entgegenreiten. Mindestens die Hälfte verpasste die Wellen, und andere verloren bald die Balance und plumpsten ins Wasser.

Ich gehörte zu den Glücklichen, die ihren Platz gefunden hatten und begann, mich hinzustellen und sogar sanfte Kurven auf der Wasseroberfläche zu ziehen. Die Minuten vergingen und meine Oberschenkel zitterten, aber der Schmerz verblasste, als ich an hügeligen Weinbergen, alten Bauernhäusern und der mittelalterlichen Burg von Vayres vorbeisurfte.

Frankreichs endlose Welle

Schon von weitem hörte ich die tosenden Zuschauer, die das kleine Dorf gehörig aufmischten. Ihr Klatschen und Jubeln wurde lauter, als ich mit rund 15 anderen Surfern stehend an ihnen vorbeisurfte. So muss sich ein Marathonläufer am Zieleinlauf fühlen. Erschöpft, aufgeputscht und angespornt.

Kurz dahinter klang die Welle ab und ich kletterte am hinteren Dorfeingang aus dem Fluss. Ein Blick auf meine Uhr bestätigte mir, dass ich fast fünf Minuten auf einer Welle gestanden habe. Stolz und vollgepumpt mit Adrenalin lief ich mit einem breiten Lächeln zurück ins Dorf. Der Weg war lang, aber alles, woran ich denken konnte, war, am nächsten Tag wiederzukommen und das Ganze noch einmal zu erleben.

Anfahrt

Wenn du dieses Abenteuer selbst erleben möchtest, fliegst du am besten nach Paris und fährst dann mit dem TGV weiter nach Bordeaux. Mit einem Mietwagen geht es nach Lacanau an der Küste, das weniger überlaufen ist als Biarritz und einige der besten Surfbedingungen in Frankreich bietet. Hier gibt es günstige Bordvermietungen.

Von Lacanau sind es rund zwei Stunden in das Dorf Saint-Pardon, das ein beliebter Spot für Mascaret-Surfer an der Dordogne ist. Auf der Garonne sieht man die Welle am besten südlich von Bordeaux zwischen den Dörfern Langoiran und Podensac.

Beste Reisezeit

Meistens ist das Phänomen von August bis Oktober an der Gironde zu bestaunen, an der Flussmündung, wo Dordogne und Garonne zusammenkommen. Der Stau-Effekt der Gezeiten verursacht das ganze Jahr über zu bestimmten Zeiten eine winzige Welle, die le mascaret genannt wird. Während der grandes marées (Springflut) kann diese Süßwasserwelle plötzlich zwei Meter hoch und 10 bis 20 km/h schnell werden.

Das Gute an der Mascaret ist, dass man seine Uhr nach dem Event stellen kann, denn der Gezeitenkoeffizient muss über 90 betragen und die Dordogne Niedrigwasser führen. Das ist meistens im Sommer der Fall. Auf speziellen Mascaret-Kalendern ist mit unglaublicher Genauigkeit verzeichnet, zu welcher Uhrzeit die Welle an welchem Dorf an der Dordogne und Garonne entlang zieht.

➯ Oder wie wäre es mit auf Flusswellensurfen auf der Havel? Hier geht es zu meinem Beitrag.

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